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Eine Myokarditis ist eine entzündliche Erkrankung des Herzmuskels (Myokard), die durch Infektionen, Autoimmunreaktionen oder toxische Einflüsse ausgelöst wird. Sie kann akut oder chronisch verlaufen und führt in schweren Fällen zu einer Beeinträchtigung der Pumpleistung des Herzens. Die Diagnose erfordert eine Kombination aus klinischer Untersuchung, Bildgebung und Laborparametern.

Allgemeine Beschreibung

Die Myokarditis zählt zu den inflammatorischen Kardiomyopathien und ist durch eine Schädigung der Kardiomyozyten (Herzmuskelzellen) gekennzeichnet. Sie kann isoliert auftreten oder im Rahmen systemischer Entzündungen, etwa bei Sepsis oder Kollagenosen. Die Ätiologie ist vielfältig: Viren (z. B. Coxsackie-B-Viren, SARS-CoV-2), Bakterien (z. B. Borrelia burgdorferi), Pilze oder Parasiten können als Auslöser fungieren. Auch nicht-infektiöse Ursachen wie Medikamente (z. B. Anthrazykline, Immuncheckpoint-Inhibitoren) oder Autoimmunerkrankungen (z. B. systemischer Lupus erythematodes) spielen eine Rolle.

Pathophysiologisch kommt es durch die Entzündung zu einer Infiltration des Myokards mit Immunzellen (Lymphozyten, Makrophagen), was zu Ödemen, Nekrosen und später Fibrosen führt. Dies beeinträchtigt die kontraktile Funktion und kann Arrhythmien oder eine dilatative Kardiomyopathie (DCM) begünstigen. Die Symptome reichen von unspezifischen Beschwerden wie Müdigkeit und Thoraxschmerzen bis hin zu fulminanten Verläufen mit kardiogenem Schock. Die Inzidenz wird auf 10–22 Fälle pro 100.000 Einwohner pro Jahr geschätzt (Quelle: ESC Guidelines 2022), wobei die Dunkelziffer aufgrund asymptomatischer Verläufe hoch ist.

Die Diagnostik stützt sich auf die Dallas-Kriterien (histopathologischer Nachweis von Entzündungszellen im Myokardbiopsat) sowie moderne Bildgebungsverfahren wie die kardiale Magnetresonanztomographie (cMRT), die nach den Lake-Louise-Kriterien (2018) Ödem, Hyperämie und Fibrose nachweist. Laborchemisch sind erhöhte Troponin-I- oder -T-Werte sowie ein Anstieg des N-terminalen pro-BNP (NT-proBNP) typisch. Differenzialdiagnostisch müssen ischämische Kardiomyopathien, Takotsubo-Syndrom oder toxische Myokardschäden ausgeschlossen werden.

Klinische Klassifikation

Die Myokarditis wird nach Verlaufsform, Ätiologie und Schweregrad klassifiziert. Die akute Myokarditis manifestiert sich innerhalb von 14 Tagen mit Symptomen wie Fieber, Dyspnoe und Palpitationen. Die chronische Myokarditis persistiert über Monate und kann in eine inflammatorische DCM übergehen. Eine Sonderform ist die fulminante Myokarditis, die durch rasche hämodynamische Verschlechterung gekennzeichnet ist und oft eine mechanische Kreislaufunterstützung (z. B. ECMO) erfordert.

Ätiologisch unterscheidet man: infektiöse Myokarditis (häufig viral, seltener bakteriell oder parasitär), autoimmune Myokarditis (z. B. bei Riesenzellmyokarditis oder eosinophiler Myokarditis), toxische Myokarditis (durch Medikamente, Drogen wie Kokain oder Schwermetalle) und hypersensitivitätsbedingte Myokarditis (z. B. nach Antibiotikatherapie). Die Riesenzellmyokarditis ist eine seltene, aber aggressive Form mit granulomatösen Entzündungen und hoher Mortalität ohne Immunsuppression.

Diagnostische Verfahren

Die Diagnose erfordert einen multimodalen Ansatz. Die kardiale MRT gilt als Goldstandard der nicht-invasiven Diagnostik und zeigt typischerweise: T2-gewichtete Sequenzen (Ödemnachweis), Early Gadolinium Enhancement** (Hyperämie) und Late Gadolinium Enhancement (Fibrose/Narben). Die Sensitivität liegt bei 67–88 %, die Spezifität bei 91–96 % (Quelle: Journal of the American College of Cardiology, 2019).

Die Endomyokardbiopsie (EMB) bleibt der Goldstandard zur ätiologischen Klärung, wird aber aufgrund des invasiven Charakters nur bei therapierefraktären oder fulminanten Verläufen eingesetzt. Histologisch werden nach der WHO-Klassifikation (1995) lymphozytäre, eosinophile, granulomatöse und nekrotisierende Formen unterschieden. Unterstützend kommen Echokardiographie (Wandbewegungsstörungen, Perikarderguss), EKG (ST-Strecken-Hebungen, AV-Blockierungen) und Labor (CRP, CK-MB, virale Serologie) zum Einsatz.

Anwendungsbereiche

  • Klinische Kardiologie: Abklärung unklarer Thoraxschmerzen, Herzinsuffizienz oder Arrhythmien bei jungen Patienten ohne koronare Herzkrankheit (KHK).
  • Infektiologie: Monitoring von Patienten mit systemischen Virusinfektionen (z. B. COVID-19, HIV) oder Lyme-Borreliose.
  • Onkologie: Überwachung von Patienten unter Immuncheckpoint-Inhibitoren (z. B. Nivolumab), die in 1–5 % der Fälle eine Myokarditis auslösen können (NEJM, 2021).
  • Sportmedizin: Rückkehr-untersuchungen nach viralen Infekten (z. B. Influenza) zum Ausschluss einer subklinischen Myokarditis.

Bekannte Beispiele

  • COVID-19-assoziierte Myokarditis: Bei 2–4 % der hospitalisierten COVID-19-Patienten nachgewiesen (JAMA Cardiology, 2020), oft mit günstiger Prognose unter supportiver Therapie.
  • Chagas-Krankheit: Durch Trypanosoma cruzi verursachte parasitäre Myokarditis, endemisch in Lateinamerika, führt langfristig zu Herzinsuffizienz.
  • Dressler-Syndrom: Autoimmune Perikarditis/Myokarditis nach Herzinfarkt oder herzchirurgischen Eingriffen, vermutlich durch Antikörper gegen Myosin.
  • Kawasaki-Syndrom: Systemische Vaskulitis im Kindesalter, die in 1–5 % der Fälle eine Myokarditis mit Aneurysmen der Koronararterien verursacht.

Therapeutische Ansätze

Die Therapie richtet sich nach Ätiologie und Schweregrad. Bei viraler Myokarditis steht die supportive Behandlung (Bettruhe, ACE-Hemmer, Betablocker) im Vordergrund; eine antivirale Therapie (z. B. mit Interferon-β) wird nur in Studien eingesetzt. Bei autoimmuner Genese kommen Immunsuppressiva wie Kortikosteroide, Azathioprin oder IVIG (Immunglobuline) zum Einsatz, insbesondere bei Riesenzellmyokarditis.

Bei fulminanten Verläufen ist eine intensivmedizinische Versorgung mit Katecholaminen, mechanischer Kreislaufunterstützung (Impella, ECMO) oder notfallmäßiger Herztransplantation erforderlich. Langfristig wird eine Nachsorge mit kardialer MRT und Holter-EKG empfohlen, um Spätfolgen wie Arrhythmien oder DCM früh zu erkennen. Die ESC-Leitlinien (2022) raten zu körperlicher Schonung für 3–6 Monate nach Diagnose, um das Risiko plötzlicher Todesfälle zu minimieren.

Risiken und Herausforderungen

  • Unterdiagnostik: Asymptomatische Verläufe oder unspezifische Symptome führen häufig zu verzögerter Diagnose, insbesondere bei älteren Patienten.
  • Therapierefraktärität: Bei chronischen Formen spricht ein Teil der Patienten nicht auf Immunsuppression an, was die Prognose verschlechtert.
  • Langzeitfolgen: Selbst nach scheinbarer Ausheilung kann es zu Narbenbildung mit erhöhtem Risiko für ventrikuläre Tachykardien oder plötzlichen Herztod kommen.
  • Impfstoff-assoziierte Myokarditis: Seltene Nebenwirkung nach mRNA-COVID-19-Impfungen (Inzidenz: 1–10 Fälle pro 100.000 Geimpfte, CDC, 2021), meist mild verlaufend.
  • Differenzialdiagnostische Unsicherheit: Abgrenzung zur ischämischen Kardiomyopathie oder Takotsubo-Syndrom erfordert erfahrene Zentren.

Ähnliche Begriffe

  • Perikarditis: Entzündung des Herzbeutels (Perikard), oft begleitend zur Myokarditis ("Myoperikarditis"), aber mit anderen klinischen Zeichen (z. B. perikardiales Reiben).
  • Endokarditis: Entzündung der Herzinnenhaut (Endokard), meist bakteriell bedingt und mit Klappendestruktion assoziiert.
  • Kardiomyopathie (DCM/HCM): Primäre Herzmuskelerkrankungen ohne Entzündungsnachweis; die DCM kann jedoch Folge einer chronischen Myokarditis sein.
  • Takotsubo-Syndrom: Stress-induzierte reversible linksventrikuläre Dysfunktion ("Broken-Heart-Syndrom"), ohne entzündliche Infiltrate.

Zusammenfassung

Die Myokarditis ist eine heterogene entzündliche Herzmuskelerkrankung mit infektiösen, autoimmunen oder toxischen Ursachen. Ihre Diagnose erfordert eine Kombination aus Bildgebung, Biopsie und Labor, wobei die kardiale MRT eine zentrale Rolle spielt. Während leichte Verläufe oft spontan abheilen, können fulminante oder chronische Formen zu lebensbedrohlicher Herzinsuffizienz oder Arrhythmien führen. Therapeutisch stehen supportive Maßnahmen und bei Autoimmunität Immunsuppressiva im Vordergrund. Trotz Fortschritten in der Diagnostik bleibt die Myokarditis aufgrund ihrer Vielfalt eine Herausforderung für Kliniker, insbesondere in der Abgrenzung zu anderen Kardiomyopathien.

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