English: Glomerulonephritis / Español: Glomerulonefritis / Português: Glomerulonefrite / Français: Glomérulonéphrite / Italiano: Glomerulonefrite
Die Glomerulonephritis ist eine entzündliche Erkrankung der Nierenkörperchen (Glomeruli), die zu schweren Funktionsstörungen der Niere führen kann. Sie zählt zu den häufigsten Ursachen für chronisches Nierenversagen und erfordert oft eine frühzeitige Diagnose sowie gezielte Therapie. Die Ursachen sind vielfältig und reichen von Infektionen bis hin zu Autoimmunreaktionen.
Allgemeine Beschreibung
Die Glomerulonephritis bezeichnet eine Gruppe entzündlicher Erkrankungen, die primär die Glomeruli – die feinen Gefäßknäuel in der Niere – betreffen. Diese Strukturen sind essenziell für die Blutfilterung und die Bildung von Primärharn. Durch die Entzündung kommt es zu Schädigungen der glomerulären Basalmembran, der Podozyten (spezialisierte Zellen der Glomeruli) oder des Mesangiums (Bindegewebsgerüst der Glomeruli), was zu einer gestörten Filtrationsfunktion führt.
Die Erkrankung kann akut oder chronisch verlaufen. Die akute Form tritt oft plötzlich auf, z. B. nach Infektionen mit Streptokokken (postinfektiöse Glomerulonephritis), während die chronische Variante schleichend fortschreitet und langfristig zu Nierenfibrose und -versagen führen kann. Klinisch äußert sich die Glomerulonephritis häufig durch Hämaturie (Blut im Urin), Proteinurie (Eiweißverlust über den Urin), Hypertonie (Bluthochdruck) und Ödemen (Wasseransammlungen im Gewebe).
Pathophysiologisch lassen sich verschiedene Formen unterscheiden, darunter die proliferative (vermehrte Zellteilung in den Glomeruli), die membranöse (Ablagerungen an der Basalmembran) und die sklerosierende Glomerulonephritis (Vernarbung des Gewebes). Die Diagnose erfolgt meist durch Urinanalysen, Bluttests (z. B. Kreatinin-Clearance), bildgebende Verfahren wie Sonographie und in vielen Fällen durch eine Nierenbiopsie, die histopathologisch ausgewertet wird.
Therapeutisch kommen je nach Ursache und Schweregrad Immunsuppressiva (z. B. Kortikosteroide, Cyclophosphamid), Blutdrucksenker (ACE-Hemmer, AT1-Blocker) oder antibiotische Behandlungen zum Einsatz. Bei fortgeschrittenem Nierenversagen kann eine Dialyse oder Nierentransplantation notwendig werden. Die Prognose variiert stark und hängt von der zugrundeliegenden Ätiologie, dem Ansprechen auf die Therapie und dem Vorliegen von Komorbiditäten ab.
Ätiologie und Pathogenese
Die Ursachen der Glomerulonephritis sind heterogen und lassen sich grob in primäre (idiopathische, d. h. ohne erkennbare Systemerkrankung) und sekundäre Formen (im Rahmen anderer Erkrankungen) unterteilen. Zu den häufigsten Auslösern zählen:
Infektassoziierte Glomerulonephritis: Bakterielle (z. B. Streptococcus pyogenes, Quelle: UpToDate, 2023), virale (Hepatitis B/C, HIV) oder parasitäre Infektionen (Malaria) können über Immunkomplexablagerungen in den Glomeruli eine Entzündung auslösen. Die poststreptokokkale Glomerulonephritis ist ein klassisches Beispiel und tritt typischerweise 1–3 Wochen nach einer Rachen- oder Hautinfektion auf.
Autoimmunerkrankungen: Systemischer Lupus erythematodes (SLE), Goodpasture-Syndrom (Anti-GBM-Krankheit) oder ANCA-assoziierte Vaskulitiden (z. B. Granulomatose mit Polyangiitis) führen oft zu einer glomerulären Schädigung durch Autoantikörper oder direkte Entzündungsprozesse. Beim Goodpasture-Syndrom richten sich Antikörper gegen die α3-Kette des Kollagen IV in der Basalmembran (Kidney International, 2020).
Metabolische und systemische Erkrankungen: Diabetes mellitus (diabetische Nephropathie) oder Amyloidose können sekundär eine Glomerulonephritis begünstigen. Auch bestimmte Medikamente (z. B. nichtsteroidale Antirheumatika, Goldsalze) oder Toxine werden als Trigger diskutiert.
Auf zellulärer Ebene spielen Immunkomplexe (Ablagerung von Antigen-Antikörper-Komplexen), komplementvermittelte Schädigungen (Aktivierung des Komplementsystems) und direkte zytotoxische Effekte (z. B. durch ANCA) eine zentrale Rolle. Die resultierende Entzündung führt zu einer erhöhten Permeabilität der glomerulären Kapillaren, Zellproliferation und schließlich zu Sklerose.
Klinische Präsentation und Diagnostik
Die Symptome der Glomerulonephritis sind abhängig von der Form und dem Stadium der Erkrankung. Häufige klinische Zeichen umfassen:
- Hämaturie: Mikro- oder makroskopische Blutbeimengungen im Urin, oft als erstes Warnsignal. Die Erythrozyten sind dabei typischerweise dysmorph (verformt), was auf eine glomeruläre Herkunft hindeutet.
- Proteinurie: Verlust von Proteinen (v. a. Albumin) über den Urin, der bei massivem Ausmaß (> 3,5 g/Tag) zu einem nephrotischen Syndrom mit Hypalbuminämie und Ödemen führt.
- Hypertonie: Durch gestörte Natrium- und Wasserausscheidung sowie Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS).
- Ödeme: Besonders periorbital (morgens) oder an den unteren Extremitäten, bedingt durch Hypalbuminämie und Natriumretention.
- Reduzierte Nierenfunktion: Erhöhte Serum-Kreatinin- und Harnstoffwerte, verminderte glomeruläre Filtrationsrate (GFR).
Die Diagnostik stützt sich auf:
- Urinanalyse: Nachweis von Erythrozyten, Eiweiß, Zylindern oder Leukozyten. Ein Urin-Sediment kann akute Entzündungszeichen zeigen.
- Serologie: Bestimmung von Autoantikörpern (ANA, Anti-dsDNA, ANCA, Anti-GBM), Komplementfaktoren (C3, C4) und Infektparametern (ASL-Titer bei V. a. Streptokokken-Infekt).
- Bildgebung: Sonographie zum Ausschluss struktureller Veränderungen (z. B. Schrumpfniere).
- Nierenbiopsie: Goldstandard zur histologischen Klassifikation und Therapieplanung. Sie ermöglicht die Differenzierung zwischen z. B. fokal-segmentaler Glomerulosklerose (FSGS) oder membranoproliferativer Glomerulonephritis (MPGN).
Anwendungsbereiche
- Nephrologie: Die Glomerulonephritis ist ein zentrales Krankheitsbild in der Fachdisziplin, das eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Rheumatologen, Infektiologen und Pathologen erfordert.
- Pädiatrie: Besonders die postinfektiöse Glomerulonephritis tritt häufig bei Kindern auf und muss frühzeitig erkannt werden, um Langzeitschäden zu vermeiden.
- Transplantationsmedizin: Bei terminaler Niereninsuffizienz durch Glomerulonephritis kann eine Nierentransplantation notwendig werden, wobei Rezidive im Transplantat möglich sind.
- Forschung: Die Erforschung der Pathomechanismen (z. B. Rolle von Podozyten oder Komplementaktivierung) ist essenziell für die Entwicklung zielgerichteter Therapien.
Bekannte Beispiele
- Poststreptokokkale Glomerulonephritis: Klassische Form nach Infektion mit nephritogenen Streptokokken-Stämmen, die besonders bei Kindern in Entwicklungsländern auftritt.
- IgA-Nephropathie (Morbus Berger): Häufigste primäre Glomerulonephritis weltweit, gekennzeichnet durch Ablagerungen von Immunglobulin A in den Glomeruli.
- Lupusnephritis: Nierenbeteiligung beim systemischen Lupus erythematodes, die in bis zu 60 % der Fälle auftritt und schwerwiegende Verläufe nehmen kann.
- Rapid progressive Glomerulonephritis (RPGN): Aggressiv verlaufende Form mit raschem Nierenfunktionsverlust, oft assoziiert mit ANCA oder Anti-GBM-Antikörpern.
Risiken und Herausforderungen
- Chronisches Nierenversagen: Unbehandelt kann die Glomerulonephritis zu einer irreversiblen Schädigung der Niere führen, die eine lebenslange Dialyse erfordert.
- Therapieresistenz: Einige Formen (z. B. FSGS) sprechen schlecht auf Standardtherapien an und erfordern experimentelle Ansätze wie Rituximab.
- Rezidive nach Transplantation: Bei autoimmunbedingten Formen besteht das Risiko eines Wiederauftretens im transplantierten Organ.
- Diagnostische Verzögerung: Unspezifische Symptome können zu spätem Behandlungsbeginn führen, besonders bei schleichenden Verläufen.
- Nebenwirkungen der Therapie: Immunsuppressiva erhöhen das Infektionsrisiko und können Langzeitfolgen wie Osteoporose oder Malignome begünstigen.
Ähnliche Begriffe
- Nephrotisches Syndrom: Klinisches Bild mit massiver Proteinurie (> 3,5 g/Tag), Hypalbuminämie, Ödemen und Hyperlipidämie, das bei bestimmten Formen der Glomerulonephritis (z. B. membranöse GN) auftritt.
- Interstitielle Nephritis: Entzündung des Niereninterstitiums (Bindegewebe), die im Gegensatz zur Glomerulonephritis primär die Tubuli und nicht die Glomeruli betrifft.
- Pyelonephritis: Bakterielle Infektion des Nierenbeckens und -parenchyms, die meist durch aufsteigende Harnwegsinfekte entsteht und nicht entzündlich-immunologisch bedingt ist.
- Diabetische Nephropathie: Mikrovaskuläre Schädigung der Niere bei Diabetes mellitus, die zwar glomeruläre Veränderungen aufweist, aber primär metabolisch verursacht ist.
Zusammenfassung
Die Glomerulonephritis umfasst eine Gruppe entzündlicher Nierenerkrankungen, die durch Schädigung der Glomeruli zu schweren Funktionsstörungen führen kann. Sie äußert sich klinisch durch Hämaturie, Proteinurie, Hypertonie und Ödemen und hat vielfältige Ursachen, darunter Infektionen, Autoimmunprozesse oder metabolische Erkrankungen. Die Diagnose erfordert oft eine Nierenbiopsie, während die Therapie von Immunsuppression bis hin zu Dialyse oder Transplantation reicht. Trotz Fortschritten in der Behandlung bleibt die Glomerulonephritis eine bedeutende Herausforderung aufgrund ihrer Heterogenität, Therapieresistenz und des Risikos für chronisches Nierenversagen. Eine frühzeitige Erkennung und individuell angepasste Therapie sind entscheidend für die Prognose.
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