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Die Rotatorenmanschette ist eine anatomisch und funktionell zentrale Muskel-Sehnen-Gruppe im Schultergelenk, die für Stabilität und Beweglichkeit sorgt. Verletzungen oder Degenerationen dieses Komplexes zählen zu den häufigsten Ursachen für Schulterschmerzen und Bewegungseinschränkungen. Ihre Bedeutung erstreckt sich von der Sportmedizin bis zur orthopädischen Rehabilitation.

Allgemeine Beschreibung

Die Rotatorenmanschette (lat. Cuffia rotatorum) besteht aus vier Muskeln und ihren zugehörigen Sehnen, die das Schultergelenk (Glenohumeralgelenk) umgreifen und stabilisieren. Diese Muskeln sind der Musculus supraspinatus, Musculus infraspinatus, Musculus teres minor und der Musculus subscapularis. Ihre Sehnen inserieren am Tuberculum majus und minus des Oberarmknochens (Humerus) und bilden eine funktionelle Einheit, die den Humeruskopf in der Gelenkpfanne (Cavitas glenoidalis) zentriert.

Biomechanisch ermöglicht die Rotatorenmanschette nicht nur die Rotation des Arms (Innen- und Außenrotation), sondern auch die Abduktion (Seitwärtsheben) und Elevation (Anheben) des Arms über 90°. Besonders der M. supraspinatus spielt eine Schlüsselrolle bei der Initiierung der Abduktion in den ersten 30° (Quelle: Neumann, D.A. (2010). Kinesiology of the Musculoskeletal System). Die Muskelgruppe wirkt zudem als dynamischer Stabilisator gegen translatorische Kräfte, die sonst zu Subluxationen (Teilverrenkungen) führen könnten.

Histologisch bestehen die Sehnen der Rotatorenmanschette überwiegend aus kollagenen Fasern (Typ-I-Kollagen), die eine hohe Zugfestigkeit aufweisen. Mit zunehmendem Alter oder durch Überlastung kann es jedoch zu degenerativen Veränderungen kommen, wie z. B. Sehnenfibrosen oder Kalzifikationen. Die Blutversorgung der Sehnen erfolgt vor allem über die A. circumflexa humeri posterior, wobei eine kritische Zone mit verminderter Vaskularisation im Bereich des M. supraspinatus besteht – ein prädisponierender Faktor für Rupturen (Quelle: Codman, E.A. (1934). The Shoulder).

Anatomische Details

Die vier Muskeln der Rotatorenmanschette lassen sich nach ihrer Lage und Funktion unterteilen:

Der M. supraspinatus entspringt der Fossa supraspinata des Schulterblatts (Scapula) und verläuft unter dem Akromion zum Tuberculum majus. Er ist der am häufigsten von Rupturen betroffene Muskel, da seine Sehne bei Armbewegungen repetitiv gegen das Akromion und das Ligamentum coracoacromiale gedrückt wird („Impingement-Syndrom").

Der M. infraspinatus und der M. teres minor (beide aus der Fossa infraspinata bzw. dem lateralen Scapularand) sind primär für die Außenrotation verantwortlich. Der M. subscapularis, der einzige der Gruppe mit Ansatz am Tuberculum minus, ermöglicht die Innenrotation und wirkt als vorderer Stabilisator gegen anteriore Luxationen.

Die Sehnen der Rotatorenmanschette verschmelzen teilweise mit der Gelenkkapsel des Schultergelenks und bilden so eine funktionelle Einheit mit dem Ligamentum coracohumerale und den glenohumeralen Bändern. Dieser Komplex wird auch als „rotator interval" bezeichnet – eine Region, die bei Instabilitäten oder Rupturen chirurgisch rekonstruiert werden kann.

Funktionsstörungen und Pathologien

Verletzungen der Rotatorenmanschette reichen von partiellen Sehnenrissen (Grad I–III nach Snyder) bis zu kompletten Rupturen, die oft traumatisch (z. B. durch Stürze) oder degenerativ bedingt sind. Typische Symptome umfassen:

  • Schmerzen bei Überkopfbewegungen oder nächtliche Ruheschmerzen („Painful Arc" zwischen 60° und 120° Abduktion),
  • Kraftverlust (v. a. bei Außenrotation oder Abduktion),
  • Krepitationen (knirschende Geräusche) bei Bewegungen.

Diagnostisch kommen neben klinischen Tests (z. B. Jobe-Test, Lag-Zeichen) bildgebende Verfahren wie Sonographie, MRT (Sensitivität ~95 % für Rupturen) oder Röntgen (zum Ausschluss von Kalzifikationen) zum Einsatz. Differenzialdiagnostisch müssen ein subakromiales Impingement, eine Omarthrose oder Nervenkompressionen (z. B. des N. suprascapularis) abgegrenzt werden.

Anwendungsbereiche

  • Sportmedizin: Prävention und Behandlung von Verletzungen bei Wurfsportlern (z. B. Baseball, Handball) oder Schwimmern, bei denen repetitive Überkopfbewegungen zu Mikrotraumata führen.
  • Orthopädie/Chirurgie: Arthroskopische oder offene Rekonstruktion von Sehnenrissen (z. B. durch Nahttechniken oder Transplantate), Akromioplastik bei Impingement.
  • Physiotherapie: Exzentrisches Training, Skapulastabilisation und Dehnungsübungen zur Rehabilitation nach Rupturen oder Operationen.
  • Arbeitsmedizin: Ergonomische Anpassungen für Berufe mit hoher Schulterbelastung (z. B. Maler, Lagerarbeiter).

Bekannte Beispiele

  • Impingement-Syndrom: Engpass-Syndrom durch mechanische Kompression der Supraspinatussehne unter dem Akromion, oft bei Sportlern oder älteren Patienten mit degenerativen Veränderungen.
  • Kalkschulter (Tendinosis calcarea): Ablagerung von Hydroxyapatit-Kristallen in den Sehnen, v. a. im M. supraspinatus, mit akuten schmerzhaften Schüben.
  • Bankart-Läsion: Verletzung des vorderen unteren Labrums (oft kombiniert mit Rotatorenmanschettenrissen) nach traumatischer Schulterluxation.
  • Cuff-Arthropathie: Fortgeschrittene Degeneration mit Gelenkzerstörung nach massiven, nicht behandelten Rupturen („Pseudoparalyse" der Schulter).

Risiken und Herausforderungen

  • Degeneration: Altersbedingte Minderdurchblutung und strukturelle Schwäche der Sehnen erhöhen das Rupturrisiko, besonders ab dem 50. Lebensjahr.
  • Re-Rupturen nach OP: Die Versagensrate nach chirurgischer Rekonstruktion liegt bei 20–40 %, abhängig von Rupturgröße und Patient:innen-Compliance (Quelle: Moosmayer, S. et al. (2019). Arthroscopy).
  • Fehldiagnosen: Symptome können denen einer Zervikalgie (Nackenverspannung) oder eines SLAP-Läsion (Superior Labrum Anterior-Posterior) ähneln, was verzögerte Therapien zur Folge hat.
  • Langzeitfolgen: Unbehandelte Rupturen führen zu Muskelatrophie (v. a. des M. infraspinatus), Gelenkarthrose und chronischen Schmerzen.

Ähnliche Begriffe

  • SLAP-Läsion: Verletzung des oberen Labrums im Schultergelenk, oft bei Wurfsportlern; kann mit Rotatorenmanschettenrissen einhergehen.
  • Bizepssehnenruptur (long head): Riss der langen Bizepssehne, die durch den Sulcus intertubercularis verläuft und eng mit der Rotatorenmanschette assoziiert ist.
  • Scapulothorakales Gleiten: Gestörte Bewegungskoordination zwischen Schulterblatt und Brustkorb, häufig bei Rotatorenmanschetten-Dysfunktionen.
  • Frozen Shoulder (Adhäsive Kapsulitis): Entzündliche Versteifung des Schultergelenks, die sekundär nach Rupturen oder Operationen auftreten kann.

Zusammenfassung

Die Rotatorenmanschette ist ein komplexes System aus Muskeln und Sehnen, das für die Stabilität und Beweglichkeit der Schulter unverzichtbar ist. Verletzungen oder degenerative Veränderungen führen zu erheblichen Funktionseinschränkungen und Schmerzen, wobei die Therapie von konservativen Maßnahmen bis zu operativen Rekonstruktionen reicht. Präventiv sind gezieltes Krafttraining, die Vermeidung von Überlastung und frühzeitige Diagnostik bei Symptomen entscheidend. Trotz fortschrittlicher Behandlungsmethoden bleiben Re-Rupturen und Langzeitfolgen wie Arthrose Herausforderungen, die eine interdisziplinäre Betreuung erfordern.

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