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Eine Enzephalitis ist eine entzündliche Erkrankung des Gehirns, die durch Infektionen, Autoimmunreaktionen oder toxische Einflüsse ausgelöst wird. Sie kann lebensbedrohlich verlaufen und erfordert eine rasche Diagnostik sowie gezielte Therapie. Die Symptome reichen von Fieber und Kopfschmerzen bis hin zu Bewusstseinsstörungen und neurologischen Ausfällen.

Allgemeine Beschreibung

Die Enzephalitis (von griech. enképhalos = Gehirn, -itis = Entzündung) bezeichnet eine akute oder chronische Entzündung des Gehirnparenchyms, die sich klinisch durch neurologische Defizite, Bewusstseinsveränderungen und systemische Entzündungszeichen manifestiert. Sie ist von der Meningitis (Hirnhautentzündung) abzugrenzen, obwohl beide Erkrankungen oft gemeinsam als Meningoenzephalitis auftreten.

Ätiologisch lassen sich infektiöse und nicht-infektiöse Ursachen unterscheiden. Infektiöse Enzephalitiden werden häufig durch Viren (z. B. Herpes-simplex-Virus, FSME-Virus), seltener durch Bakterien (z. B. Listeria monocytogenes), Pilze oder Parasiten ausgelöst. Nicht-infektiöse Formen entstehen durch Autoimmunprozesse (z. B. anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis), toxische Substanzen oder systemische Entzündungsreaktionen.

Die Pathogenese variiert je nach Ursache: Viren dringen entweder hämatogen oder über periphere Nerven ins ZNS ein, während Autoantikörper bei immunvermittelten Formen neuronale Strukturen angreifen. Die Entzündungsreaktion führt zu Ödemen, Zellnekrosen und in schweren Fällen zu irreversiblen Schädigungen der Blut-Hirn-Schranke.

Die Inzidenz liegt in Europa bei etwa 1–10 Fällen pro 100.000 Einwohner pro Jahr (Quelle: Robert Koch-Institut, 2022), wobei saisonale Häufungen (z. B. FSME in Endemiegebieten) und regionale Unterschiede bestehen. Besonders gefährdet sind immungeschwächte Patienten, Kleinkinder und ältere Menschen.

Klinische Symptomatik und Diagnostik

Die Symptome einer Enzephalitis entwickeln sich oft subakut über Stunden bis Tage. Frühzeichen sind unspezifisch und umfassen Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit und Myalgien. Im weiteren Verlauf treten neurologische Defizite wie Aphasie, Ataxie, Krampfanfälle oder fokale Lähmungen auf. Bewusstseinsstörungen reichen von Somnolenz bis zum Koma (Glasgow-Coma-Scale < 8).

Die Diagnose stützt sich auf:

  • Liquoruntersuchung: Pleozytose (meist lymphozytär), erhöhter Proteingehalt, ggf. Nachweis von Erregern via PCR (z. B. HSV-DNA).
  • Bildgebung: MRT mit Kontrastmittel zeigt typischerweise hyperintense Läsionen in T2-gewichteten Aufnahmen (z. B. temporale Lappen bei HSV-Enzephalitis).
  • EEG: Verlangsamte Grundaktivität oder epileptiforme Muster.
  • Serologie: Antikörpernachweis im Serum/Liquor (z. B. gegen FSME-Virus oder neuronale Autoantigene).

Differentialdiagnostisch müssen andere ZNS-Erkrankungen wie Hirnabszesse, metabolische Enzephalopathien oder vaskuläre Insulte ausgeschlossen werden.

Therapeutische Ansätze

Die Behandlung richtet sich nach der Ätiologie und muss frühzeitig beginnen. Bei Verdacht auf eine virale Enzephalitis (insbesondere HSV) wird empirisch mit Aciclovir (10–15 mg/kg KG alle 8 Stunden i.v.) therapiert, bis der Erregernachweis vorliegt. Bei bakteriellen Ursachen kommen Cephalosporine der 3. Generation (z. B. Ceftriaxon) oder Ampicillin (bei Listerien-Verdacht) zum Einsatz.

Immunvermittelte Enzephalitiden erfordern eine Immunsuppression mit Glukokortikoiden (z. B. Methylprednisolon 1 g/Tag i.v. für 5 Tage), Immunglobulinen (0,4 g/kg KG/Tag) oder Plasmapherese. Supportiv werden Antikonvulsiva (z. B. Levetiracetam) bei Krampfanfällen, Analgetika und ggf. eine Intensivtherapie mit Beatmung eingesetzt.

Die Prognose hängt von der Ursache, dem Schweregrad und der Therapie ab. Während einige Patienten vollständig genesen, verbleiben bei bis zu 30 % neurologische Residuen wie kognitive Defizite oder Epilepsie (Quelle: Lancet Neurology, 2021). Die Letalität liegt bei 5–20 %, bei unbehandelter HSV-Enzephalitis bei über 70 %.

Anwendungsbereiche

  • Infektiologie: Differenzialdiagnostische Abklärung bei Fieber unklarer Genese mit neurologischen Symptomen, insbesondere in Endemiegebieten für FSME oder Arboviren.
  • Neurologie/Pädiatrie: Management von Krampfanfällen, Bewusstseinsstörungen und Entwicklungsverzögerungen bei Kindern nach Enzephalitis.
  • Intensivmedizin: Behandlung von Patienten mit schwerem Hirnödem, respiratorischer Insuffizienz oder septischem Schock.
  • Rehabilitationsmedizin: Langzeitbetreuung von Patienten mit postenzephalitischen Syndromen (z. B. Gedächtnisstörungen, Spastik).

Bekannte Beispiele

  • Herpes-simplex-Enzephalitis (HSE): Häufigste sporadische virale Enzephalitis mit Prädilektion für die Temporallappen; ohne Therapie hohe Letalität.
  • FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis): Durch Zecken übertragenes Flavivirus, endemisch in Süddeutschland, Österreich und Osteuropa; Impfung verfügbar.
  • Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis: Autoimmunenzephalitis mit psychotischen Symptomen, Bewegungsstörungen und autonomer Dysfunktion; assoziiert mit Ovarialteratomen.
  • Japanische Enzephalitis: Durch Culex-Mücken übertragenes Flavivirus, vor allem in Asien verbreitet; Impfprophylaxe für Reisende.
  • West-Nil-Enzephalitis: Zoonotische Infektion durch West-Nil-Virus, zunehmend in Südeuropa und Nordamerika nachweisbar.

Risiken und Herausforderungen

  • Spätdiagnose: Unspezifische Initialsymptome führen oft zu verzögerter Therapie, besonders bei autoimmunen Formen.
  • Resistenzentwicklungen: Bei HSV-Enzephalitis wurden vereinzelt Aciclovir-resistente Stämme beschrieben (Quelle: Journal of Clinical Virology, 2020).
  • Langzeitfolgen: Kognitive Defizite, Fatigue oder Epilepsie beeinträchtigen die Lebensqualität auch nach klinischer Heilung.
  • Impflücken: Trotz verfügbarer Impfstoffe (FSME, Japanische Enzephalitis) bleibt die Durchimpfungsrate in Risikogruppen oft unzureichend.
  • Emerging Pathogens: Neue Erreger (z. B. Tick-borne Encephalitis Virus Subtypen) erfordern angepasste Diagnostik.

Ähnliche Begriffe

  • Meningitis: Entzündung der Hirn- und Rückenmarkshäute (Pia mater, Arachnoidea), oft durch Bakterien (Neisseria meningitidis) oder Viren ausgelöst; kann mit einer Enzephalitis kombiniert auftreten.
  • Myelitis: Entzündung des Rückenmarks, klinisch durch Paresen, Sensibilitätsstörungen und Blasenfunktionsstörungen gekennzeichnet.
  • Enzephalopathie: Nicht-entzündliche Gehirnerkrankung (z. B. metabolisch, toxisch oder hypoxisch bedingt), ohne Nachweis einer Infektion oder Autoimmunreaktion.
  • Abszess (zerebral): Umschriebene Eiteransammlung im Gehirn, meist bakteriell (z. B. Staphylococcus aureus), erfordert chirurgische Drainage.
  • Prionenerkrankungen: Degenerative ZNS-Erkrankungen (z. B. Creutzfeldt-Jakob-Krankheit) durch fehlgefaltete Proteine; keine Entzündungsreaktion im engeren Sinne.

Zusammenfassung

Die Enzephalitis ist eine schwerwiegende, potenziell lebensbedrohliche Entzündung des Gehirns mit vielfältigen Ursachen, von viral-bakteriellen Infektionen bis zu Autoimmunprozessen. Eine frühzeitige Diagnose mittels Liquoranalyse, MRT und Serologie ist entscheidend, um gezielt mit Virostatika, Antibiotika oder Immunsuppressiva behandeln zu können. Trotz therapeutischer Fortschritte bleiben Langzeitfolgen wie neurologische Defizite eine Herausforderung. Präventivmaßnahmen wie Impfungen (FSME, Japanische Enzephalitis) und Zeckenschutz reduzieren das Risiko in Endemiegebieten. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Infektiologen, Neurologen und Intensivmedizinern ist für ein optimales Outcome essenziell.

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