English: epidural anesthesia / Español: anestesia epidural / Português: anestesia epidural / Français: anesthésie péridurale / Italiano: anestesia epidurale

Die Epiduralanästhesie ist ein zentrales Verfahren der Regionalanästhesie, bei dem durch gezielte Injektion eines Lokalanästhetikums in den Epiduralraum eine reversible Blockade der Nervenleitung erreicht wird. Sie wird sowohl in der Geburtshilfe als auch bei chirurgischen Eingriffen eingesetzt, um Schmerzen in definierten Körperregionen auszuschalten, ohne das Bewusstsein der Patientinnen und Patienten zu beeinträchtigen. Die Technik erfordert präzise anatomische Kenntnisse und eine sorgfältige Durchführung, um Komplikationen zu vermeiden und die gewünschte schmerzlindernde Wirkung zu erzielen.

Allgemeine Beschreibung

Die Epiduralanästhesie gehört zu den rückenmarksnahen Regionalanästhesieverfahren und zielt auf den Epiduralraum ab, der sich zwischen der harten Rückenmarkshaut (Dura mater) und dem Wirbelkanal befindet. Dieser Raum enthält Fettgewebe, Blutgefäße und Bindegewebe, die die Nervenwurzeln umgeben, welche aus dem Rückenmark austreten. Durch die Applikation eines Lokalanästhetikums – oft in Kombination mit einem Opioid wie Fentanyl oder Sufentanil – wird die Erregungsleitung dieser Nerven unterbrochen, was zu einer sensiblen, motorischen und vegetativen Blockade in den versorgten Körpersegmenten führt.

Die Platzierung des Epiduralkatheters erfolgt meist im Lendenwirbelbereich (L2–L5) oder im unteren Thoraxbereich (Th8–Th12), abhängig vom geplanten Operationsgebiet oder der Indikation. Vor dem Eingriff wird die Patientin oder der Patient in eine sitzende oder seitliche Position gebracht, um den Zugang zu erleichtern. Die Punktion erfolgt unter sterilen Bedingungen mit einer speziellen Nadel (z. B. Tuohy-Nadel), durch die ein dünner Katheter in den Epiduralraum vorgeschoben wird. Die korrekte Lage wird durch den Widerstandsverlust bei Durchdringen des Ligamentum flavum oder mithilfe von Testdosen (z. B. mit Kochsalzlösung) überprüft.

Die Wirkung der Epiduralanästhesie setzt innerhalb von 10 bis 20 Minuten ein und kann durch kontinuierliche Gabe des Anästhetikums über den Katheter aufrechterhalten werden. Die Dauer der Blockade hängt von der verwendeten Substanz, der Dosierung und der individuellen Anatomie ab. Typische Lokalanästhetika sind Bupivacain, Ropivacain oder Lidocain, die sich in Wirkdauer und Potenz unterscheiden. Während der Anwendung wird die Patientin oder der Patient engmaschig überwacht, um frühzeitig mögliche Komplikationen wie Hypotonie, Atemdepression oder neurologische Ausfälle zu erkennen.

Ein entscheidender Vorteil der Epiduralanästhesie ist die Möglichkeit, sie mit einer Allgemeinanästhesie zu kombinieren oder als alleiniges Verfahren einzusetzen, was besonders in der Geburtshilfe (z. B. bei Kaiserschnitten) und bei Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Narkoserisiko von Bedeutung ist. Zudem ermöglicht sie eine effektive postoperative Schmerztherapie, da der Katheter über mehrere Tage belassen und für Nachinjektionen genutzt werden kann. Die Technik erfordert jedoch eine sorgfältige Abwägung von Nutzen und Risiken, da sie mit spezifischen Kontraindikationen und potenziellen Nebenwirkungen verbunden ist.

Anatomische und physiologische Grundlagen

Der Epiduralraum erstreckt sich über die gesamte Länge der Wirbelsäule, von der Schädelbasis bis zum Hiatus sacralis, und ist im Lendenbereich am weitesten. Er enthält die Nervenwurzeln der Spinalnerven, die durch die Foramina intervertebralia austreten und die peripheren Körperregionen innervieren. Die Blockade dieser Wurzeln durch das Lokalanästhetikum führt zu einer segmentalen Anästhesie, deren Ausbreitung von der Injektionsstelle und dem Volumen der applizierten Lösung abhängt.

Die physiologische Wirkung beruht auf der Hemmung der Natriumkanäle in den Nervenfasern, was die Erregungsleitung unterbricht. Sensible Fasern (Schmerz, Temperatur) sind dabei empfindlicher als motorische Fasern, sodass zunächst die Schmerzleitung ausgeschaltet wird, während die Motorik oft teilweise erhalten bleibt. Die sympathische Blockade kann zu einer Vasodilatation führen, die mit einem Blutdruckabfall einhergeht – ein Effekt, der durch vorangehende Volumengabe (z. B. mit kristalloiden Lösungen) gemildert werden kann.

Die Resorption des Lokalanästhetikums erfolgt über die Blutgefäße des Epiduralraums, wobei die Plasmakonzentration von der Dosis und der Applikationsgeschwindigkeit abhängt. Bei Überdosierung oder versehentlicher intravasaler Injektion können systemische toxische Effekte auftreten, die das zentrale Nervensystem (ZNS) und das kardiovaskuläre System betreffen. Aus diesem Grund wird die Epiduralanästhesie nur von erfahrenen Anästhesistinnen und Anästhesisten durchgeführt, die über die notwendige Ausstattung zur Überwachung und Notfallbehandlung verfügen.

Indikationen und Kontraindikationen

Die Epiduralanästhesie wird bei einer Vielzahl von Eingriffen und klinischen Situationen eingesetzt. Zu den häufigsten Indikationen zählen:

  • Geburtshilfliche Schmerztherapie (z. B. während der Wehen oder bei Kaiserschnitten),
  • Chirurgische Eingriffe im abdominalen, thorakalen oder unteren Extremitätenbereich (z. B. Hernienoperationen, Hüftgelenksersatz),
  • Postoperative Schmerztherapie nach großen Bauch- oder Thoraxoperationen,
  • Chronische Schmerzsyndrome (z. B. bei Tumorpatientinnen und -patienten).

Trotz ihrer Vorteile gibt es absolute und relative Kontraindikationen, die eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung erfordern. Absolute Kontraindikationen umfassen:

  • Patientenverweigerung nach Aufklärung,
  • Lokale Infektionen oder Sepsis (Risiko einer Meningitis oder Epiduralabszesses),
  • Gerinnungsstörungen oder therapeutische Antikoagulation (erhöhtes Blutungsrisiko),
  • Erhöhter intrakranieller Druck (Gefahr der Einklemmung bei Durapunktion).

Relative Kontraindikationen sind z. B. neurologische Vorerkrankungen, Wirbelsäulendeformitäten oder schwere Hypovolämie, die das Risiko von Komplikationen erhöhen können.

Durchführung und Überwachung

Die Vorbereitung der Epiduralanästhesie umfasst eine gründliche Anamnese, körperliche Untersuchung und Aufklärung der Patientin oder des Patienten über Ablauf, Wirkung und mögliche Risiken. Vor dem Eingriff werden die Vitalparameter (Blutdruck, Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung) dokumentiert und ein venöser Zugang gelegt, um bei Bedarf schnell Flüssigkeit oder Medikamente applizieren zu können.

Die Punktion erfolgt unter sterilen Kautelen, wobei die Hautdesinfektion und das Abdecken mit sterilen Tüchern Standard sind. Die Identifikation des Epiduralraums kann durch den Widerstandsverlust beim Durchdringen des Ligamentum flavum oder mithilfe der „Loss-of-Resistance"-Technik (LOR) mit einer Kochsalz- oder Lufttestdosis erfolgen. Moderne Verfahren nutzen zusätzlich Ultraschall zur Visualisierung der Anatomie, um die Erfolgsrate zu erhöhen und Komplikationen zu reduzieren.

Nach erfolgreicher Katheterplatzierung wird eine Testdosis (z. B. 3 ml Bupivacain 0,25 % mit Adrenalin) injiziert, um eine intravasale oder subarachnoidale Fehllage auszuschließen. Bei korrekter Lage folgt die Gabe der vollen Dosis, wobei die Patientin oder der Patient kontinuierlich überwacht wird. Die Wirkung wird durch regelmäßige Sensibilitätstests (z. B. mit Kältereiz oder Nadelstich) und Motorikprüfungen kontrolliert. Bei Bedarf kann die Anästhesie durch Nachinjektionen oder eine patientenkontrollierte Epiduralanalgesie (PCEA) aufrechterhalten werden.

Anwendungsbereiche

  • Geburtshilfe: Die Epiduralanästhesie ist das Verfahren der Wahl zur Schmerzlinderung während der Wehen und bei Kaiserschnitten, da sie eine effektive Analgesie bei erhaltener Mobilität der Gebärmutter ermöglicht. Sie reduziert den Stress für Mutter und Kind und kann bei Bedarf schnell zu einer operativen Anästhesie erweitert werden.
  • Abdominal- und Thoraxchirurgie: Bei Eingriffen wie Darmresektionen, Leistenhernien oder Lungenoperationen ermöglicht die Epiduralanästhesie eine gezielte Blockade der betroffenen Segmente, was den Bedarf an systemischen Analgetika und die damit verbundenen Nebenwirkungen (z. B. Übelkeit, Atemdepression) verringert.
  • Orthopädie und Traumatologie: Bei Hüft- oder Kniegelenksersatz sowie nach Frakturen der unteren Extremitäten wird die Technik zur perioperativen Schmerztherapie eingesetzt, um die Mobilisation zu erleichtern und thromboembolische Komplikationen durch frühzeitige Physiotherapie zu reduzieren.
  • Chronische Schmerztherapie: Bei Patientinnen und Patienten mit Tumor- oder neuropathischen Schmerzen kann ein Epiduralkatheter zur langfristigen Analgesie genutzt werden, insbesondere wenn andere Verfahren versagen oder nicht toleriert werden.

Bekannte Beispiele

  • Geburtshilfliche Epiduralanalgesie: Weltweit wird die Epiduralanästhesie in über 60 % der Krankenhausentbindungen eingesetzt, insbesondere in Ländern mit hoher medizinischer Infrastruktur. Studien zeigen, dass sie die mütterliche Zufriedenheit erhöht und das Risiko für Notfall-Kaiserschnitte reduziert.
  • „Walking Epidural": Eine modifizierte Technik mit niedrigen Dosen von Lokalanästhetika und Opioiden, die eine Schmerzfreiheit bei erhaltener Gehfähigkeit ermöglicht. Dies wird vor allem in der Geburtshilfe angewendet, um die aktive Mitarbeit der Gebärmutter zu fördern.
  • Thorakale Epiduralanästhesie bei Herzchirurgie: Bei bestimmten herzchirurgischen Eingriffen (z. B. Bypass-Operationen) wird die Epiduralanästhesie zur postoperativen Schmerztherapie genutzt, um die Extubation zu beschleunigen und pulmonale Komplikationen zu verringern.

Risiken und Herausforderungen

  • Hypotonie und Kreislaufdepression: Durch die sympathische Blockade kann es zu einem abrupten Blutdruckabfall kommen, der besonders bei hypovolämen oder herzkranken Patientinnen und Patienten kritisch ist. Dies erfordert eine proaktive Volumentherapie und ggf. den Einsatz von Vasopressoren wie Ephedrin.
  • Versehentliche Durapunktion: Bei unsachgemäßer Durchführung kann die Dura mater verletzt werden, was zu einem Liquorverlust und postpunktionellen Kopfschmerzen führt. Diese sind oft positionell abhängig und können durch eine Blutpatch-Therapie (Injektion von autologem Blut in den Epiduralraum) behandelt werden.
  • Infektionen: Epiduralabszesse oder Meningitiden sind seltene, aber schwerwiegende Komplikationen, die eine sofortige antibiotische Therapie und ggf. chirurgische Intervention erfordern. Strenge Asepsis bei der Katheteranlage ist daher essenziell.
  • Neurologische Schäden: Durch direkte Nadel- oder Kathetertraumen, Hämatome oder Ischämien können vorübergehende oder permanente Nervenschäden entstehen. Die Inzidenz liegt bei korrekter Technik unter 0,1 %, erfordert aber eine sorgfältige Dokumentation und Nachsorge.
  • Systemische Toxizität: Bei versehentlicher intravasaler Injektion des Lokalanästhetikums können Krampfanfälle, Herzrhythmusstörungen oder ein Kreislaufstillstand auftreten. Die Behandlung umfasst die Gabe von Lipidemulsionen (z. B. Intralipid) und supportive Maßnahmen.
  • Technische Schwierigkeiten: Anatomische Variationen (z. B. Skoliose, Adipositas) oder vorherige Wirbelsäulenoperationen können die Punktion erschweren und die Erfolgsrate verringern. In solchen Fällen kommen alternative Verfahren wie die Spinalanästhesie oder eine Allgemeinanästhesie zum Einsatz.

Ähnliche Begriffe

  • Spinalanästhesie: Ein weiteres rückenmarksnahes Verfahren, bei dem das Lokalanästhetikum direkt in den Subarachnoidalraum (Liquor cerebrospinalis) injiziert wird. Im Gegensatz zur Epiduralanästhesie setzt die Wirkung schneller ein, ist aber auf eine einmalige Gabe beschränkt und hat ein höheres Risiko für postpunktionelle Kopfschmerzen.
  • Periphere Nervenblockade: Hier wird das Lokalanästhetikum in die Nähe eines peripheren Nervs oder Nervenplexus (z. B. Plexus brachialis) injiziert, um gezielt eine Extremität zu betäuben. Im Gegensatz zur Epiduralanästhesie hat sie keine Auswirkungen auf die Sympathikusaktivität.
  • Allgemeinanästhesie: Ein Verfahren, bei dem durch intravenöse oder inhalative Anästhetika Bewusstlosigkeit, Analgesie und Muskelrelaxation hergestellt werden. Sie wird oft mit der Epiduralanästhesie kombiniert, um eine „balancierte Anästhesie" mit reduzierter Narkosetiefe zu erreichen.
  • Patientenkontrollierte Analgesie (PCA): Ein System, bei dem die Patientin oder der Patient selbst über eine Pumpe Analgetika (z. B. Opioide) abrufen kann. Die Epidural-PCA ist eine spezielle Form, bei der das Medikament über den Epiduralkatheter verabreicht wird.

Zusammenfassung

Die Epiduralanästhesie ist ein hochwirksames und vielseitiges Verfahren der Regionalanästhesie, das durch gezielte Blockade der Nervenwurzeln im Epiduralraum eine segmentale Schmerzausschaltung ermöglicht. Sie wird vor allem in der Geburtshilfe, abdominalen Chirurgie und orthopädischen Schmerztherapie eingesetzt und bietet den Vorteil einer lang anhaltenden Analgesie bei erhaltener Bewusstseinslage. Die Technik erfordert jedoch präzise anatomische Kenntnisse, sterile Arbeitsbedingungen und eine engmaschige Überwachung, um Risiken wie Hypotonie, Infektionen oder neurologische Komplikationen zu minimieren.

Durch die Kombination mit anderen Anästhesieverfahren und die Möglichkeit der Katheterisierung für eine prolongierte Schmerztherapie hat die Epiduralanästhesie die perioperative Medizin entscheidend verbessert. Dennoch müssen Kontraindikationen wie Gerinnungsstörungen oder lokale Infektionen streng beachtet werden, um schwerwiegende Folgen zu vermeiden. Insgesamt stellt sie eine sichere und effektive Methode dar, sofern sie von erfahrenem Personal und unter Einhaltung der aktuellen Leitlinien durchgeführt wird.

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